IDENTITÄT

 

Den Lebenszeitraum eines Menschen kann man in verschiedene Phasen einteilen, die von unterschiedlichen Entwicklungsthemen und Aufgaben bestimmt werden:

 

-       Säuglingsalter

 

-       Adoleszenz - Pubertät

 

-       Erwachsenenalter

 

-       Alter – Lebensabend

 

 

 

Die Phase der Adoleszenz findet etwa im Zeitraum von 12 bis 20 Jahren statt.

 

Als Phasen der Selbstentwicklung in der Adoleszenz, die nicht notwendigerweise nacheinander folgen, sondern auch synchron sein können, definiert McConville:

 

-       Loslösung und Entfaltung

 

-       Vertiefung der Erfahrungen mit der eigenen Innenwelt,

 

-       Integration der verschiedenen Selbst-Gestalten zu einer Gestalt höherer Ordnung.

 

 

 

Die Adoleszenzkrise ist eine Phase im Leben der jungen Menschen, in der die gesamte bisherige Ordnung des Lebens ins Wanken gerät, die sicheren, selbstverständlichen Bezüge der Kindheit verloren gehen, die zu erwerbende selbständige Identität als Erwachsener noch nicht verfügbar ist.

 

 

 

Werthaltungen werden grundsätzlich in Frage gestellt und früher geschluckte Introjekte einer gründlichen Prüfung unterzogen. Hierzu gehört auch, Verbotenes zu tun, Grenzerfahrungen und neuartige Erlebnisse zu sammeln, z.B. mit Alkohol und Drogen und mit der eigenen, sich extrem verändernden Körperlichkeit zu experimentieren. Diese neuen, unbekannten Verhaltensweisen sind identitätsstiftend und die erneute Identitätssuche ist eine zentrale Aufgabe dieses ganzen Lebensabschnittes.

 

 

 

Identität lässt sich definieren, als das Bild und das Gefühl, das ich von mir selbst habe, sie bildet sich in einem Austauschprozess zwischen mir und anderen Menschen, zwischen mir und meiner gesamten Mit- und Umwelt. Identität entsteht dadurch, dass ich mich sehe, fühle bewerte, vergleiche, Entwürfe von mir mache, Rollen übernehme und dadurch, dass ich von anderen gesehen werde, dass sie auf mich reagieren, mich bewerten, vergleichen usw. Wie gut oder schlecht meine Selbstwahrnehmung und –bewertung zu dem passt, wie andere mich wahrnehmen und bewerten, und wie ich dieses gut oder schlecht Passen bewältige, fließt in die Identitätsbildungsprozesse mit ein. Dieses Zusammenspiel findet in unterschiedlichen Bereichen statt. Diese beschreibt Petzold in seinem System der „Fünf Säulen der Identität“:

 

-       Leiblichkeit

 

-       Soziales Netz

 

-       Materielle Sicherheit

 

-       Leistung und Aktivitäten

 

-       Sinn, Werte, Normen

 

 

 

Der Jugendliche, der sich in der Phase der Identitätsfindung befindet, ist in allen oben genannten Bereichen des petzoldschen Systems in Aufruhr und Verwirrung, alle Bereiche bedürfen einer Überprüfung und Neuordnung, die Merkmale also einer Krise. Dies verläuft in einem zunehmend bewussten Prozess der Lösung von kindlichen Identifikationen. Dieser Prozess der Lösung verändert viel in den Kontaktfunktionen, in der Art und Weise, wie der Jugendliche in Beziehung zu seiner Umwelt tritt. Er differenziert weit mehr zwischen „ich“ und „die anderen“, zwischen dem was zu ihm, seiner Familie oder seiner Clique gehört und was nicht dazu gehört. Die Kontaktgrenzen werden stärker als zweiseitig empfunden: Als Orte der Verbindung zu einem „Du“ und als Grenzen und Orte der Trennung zwischen Selbst und Nichtselbst.

 

 

 

In dieser Phase differenziert der Jugendliche Teile seines Selbst, nimmt manches in Besitz indem er sich damit identifiziert und es sich selbständig nochmals aneignet, manches scheidet er aus und lässt es als Teil seines Kindheitsselbst zurück. Das Kind fühlte sich zugehörig zu seiner Familie, geborgen innerhalb von klaren Grenzen. Diese gehen nun verloren, der Jugendliche beginnt außerhalb dieses Feldes mit einer „eigener Identität“ zu stehen. Dieses Selbst ist aber noch extrem empfindlich. Auf Einschränkungen und selbst unwillentliche Grenzübertretungen wird heftigst reagiert.

 

 

 

Die Lebenswelt der Jugendlichen organisiert sich stark um polare Gegensätze zwischen kindisch und cool, mutig und ängstlich, männlich und weiblich usw. Gegensätze erleichtern die Gestaltbildung, Übertreibungen geben dieser Suchphase eine bessere Orientierung. Dabei werden häufig die Eltern, die Lehrer, die Erwachsenen zu Gegenspielern, der Jugendliche lebt hier seine Spannungen aus, experimentiert mit einem neuen Anders-Sein.

 

 

 

Wo bei einem Jugendlichen die polare Spannung überwiegt, erwächst bei einem erfolgreichen Adoleszenten eine Bewusstheit über verschiedene Alternativen, zwischen denen er sich entscheiden kann. Er erkennt seine Handlungsmöglichkeiten und dadurch werden Autonomie und Selbstwertgefühl gestärkt.

 

 

 

Die Adoleszenzentwicklung zwischen Mädchen und Jungen hat ähnliche und unterschiedliche Komponenten und hat sich auch im Laufe der Jahre sehr verändert. So menstruieren jungen Mädchen heute viel früher, als vor 200 Jahren. Junge Männer kümmern sich heute viel intensiver um ihren Körper als vor einigen Jahren noch „erlaubt“ schien. Gleich ist beiden, dass das Interesse für das andere Geschlecht sich enorm erhöht. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Beziehung zum gleichgeschlechtlichen Elternteil. Die Tochter will sich von der Mutter unterscheiden, autonom werden, d.h., dass sie bestimmte Seiten ihrer Mütter ablehnen müssen, um zu einem eigenen Selbstbild zu kommen. Die jungen Männer müssen sich fragen, ob sie so ein Mann werden wollen, wie ihr Vater es ist oder eben nicht. Viele Eltern fühlen sich durch solch ein Verhalten sehr in die Kritik gesetzt, sind gekränkt und reagieren mit Aggression.

 

 

 

Hier erleben die jungen Menschen oft das Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit. Drogensucht und Essstörungen haben hier gemeinsam, dass ein vermeintliches Gefühl von Macht vermittelt und verspürt wird.

 

 

 

Sexualität entsteht in dieser Phase neu. Dabei geht es um die Erfahrung der Innenwelt von neuen Gefühlen und Motiven und um neue Außenerfahrungen. Die Beziehungen zum eigenen, wie zum anderen Geschlecht verlieren die kindliche Unschuld, die Erregung wächst enorm in beide Richtungen: Lust und Angst. Werde ich akzeptiert und angenommen? Bin ich cool? usw. sind Fragen, die eine immer größer werdende Rolle spielen.

 

 

 

In diesem gesamten meist schmerzhaften Prozess (für alle Beteiligten) steckt aber auch viel Energie, das Bestehende wird hinterfragt und gibt damit auch die Chance, Gegebenheiten der Erwachsenenwelt zu verändern und neu zu gestalten.